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Mit dem Hollandrad über die Alpen
Foto: Marco Stepniak

Mit dem Hollandrad über die Alpen

Lesedauer: ca. 2 Min. | Text: Sabine Raupach-Strohmann

Was du liebst, musst du tun. Klingt wie ein Kalenderspruch, ist aber das gelebte Motto von Gabriele Reiß: In den Alpen fühlt sie sich lebendig. „Sie sind zu einem Lebensstandbein für mich geworden“, sagt die Autorin, die regelmäßig im Café Claudius liest.

Mit fast vierzig hatte sich Gabriele Reiß bei einer Wanderung in die Alpen verliebt und in 35 Wochentouren auf eigene Faust viele Gebiete erwandert, seit einigen Jahren ausgebremst durch
fortgeschrittene Kniearthrose. Seitdem meistert die quicklebendige 70Jährige diese Berg und Talabenteuer mit „Lupina“, einem in Kalifornien gebauten Drei-Gang-Hollandrad. Fahren, gehen, fahren, gehen – 16 Tage lang hat sie 2021 auf ihrer „Unmöglich schönen Reise“ von Salzburg zur Adria auf 450 km mit 3.500 Höhenmetern ihren Kniegelenken ein Schnippchen geschlagen. „Ob etwas geht oder nicht, weiß ich erst, wenn ich es versucht habe“, sagt die studierte Diplom Sozialarbeiterin. Für ihre Touren verlässt sie etliche Komfortzonen: Kein GPS, keine vorgebuchte Unterkunft, kein Motor, nur Wanderkarten, leichtes Gepäck und eine Isomatte für Notübernachtungen auf der Wiese. „Nicht zu wissen, wo ich am Abend den Kopf aufs Kissen bette, ist etwas, das ich aushalten lernen musste.“

Fünftes Alpenbuch

Dank ihres Fahrrades, mit dem man nicht „Tempo machen“ kann, radelt sie entschleunigt über die Alpen. „Ich rase nicht. Ich will keinen Sturz riskieren. Und ich will alles in mir aufnehmen und abspeichern, damit ich es in meinem Buch weiterzählen kann.“ Denn Schreiben ist die weitere Passion von Gabriele Reiß. Im nächsten Jahr veröffentlicht sie ihr fünftes Buch über die Alpen – mit Geschichten aus dem gesamten Alpenraum. Gabriele Reiß hat ihre Leser auch in Oer-Erkenschwick: Bei ihren Lesungen fesselte sie ihre Zuhörer im Kultur Café des Matthias-Claudius-Zentrums.

Leben als Fluss

In vier Reiseberichten, erschienen im Selbstverlag, wandern ihre Leser jeden Meter mit auf ihren außergewöhnlichen Touren durch die Alpen – zunächst zu Fuß mit einer Freundin, danach allein mit Lupina. Sie lässt teilhaben an allen Beobachtungen, Erlebnissen, Hin dernissen, Herausforderungen und Schwierigkeiten, die sie meistert– und ihren Gedanken. „Im stillen Zuhören und Zusehen lernte ich das Wesen des Flusses kennen, seine Aufgaben im Naturkreislauf, taten sich neue Horizonte auf. Und ich verstand, so klar wie noch nie, dass auch mein Leben ein Fluss ist“, zitiert Gabriele Reiß aus „Geliebter Fluss“, ihrem zweiten Alpenbuch: von Passau zum Ursprung des Inn in Graubünden auf 2500 Metern Höhe – natürlich gegen den Strom!

Auch in ihren inzwischen über 160 Vorträgen bundesweit nimmt sie ihre Zuhörer mit. Als „Sehnsuchtsstifterin“ macht sie Mut, sich was zu trauen, Unbekanntes zu wagen und zu planen, Ziele zu setzen und sie auf eigenen kreativen Wegen zu erreichen, nicht aufzugeben, wenn es schwierig wird, der Kniearthrose zu trotzen. „Wandern, radeln, Abstiege meiden, Etappen kürzen: Kommt es nicht in jeder
Lebensphase darauf an, den ganz persönlichen Weg zu finden?“

Kraft der Sehnsucht

Als dreifache Mutter und engagierte Sozialarbeiterin in der Kinder und Jugendarbeit und Erwachsenenbildung hatte sie stets das Wohl anderer Menschen im Blick – so auch 20 Jahre lang im Diakonie-Seniorenheim „Maria Lindenhof“. Umso mehr genießt sie es, als „Best Ager“ in den Bergen ganz mit sich allein zu sein – wie auch später beim Schreiben. „Die geniale Kraft der Sehnsucht treibt mich an wie eh und je. Ich werde ihr folgen, solange, bis ich im Ohrensessel sitze und sich alle Bergabenteuer allein im Kopf und in den Büchern abspielen, die ich geschrieben habe.“

Info
Matthias-Claudius-Zentrum Oer-Erkenschwick

Halluinstraße 26
45739 Oer-erkenschwick

www.diakonie-kreis-re.de/pflege/altenwohn-pflegeheime/matthias-claudius-zentrum/

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