Vom Fan-Gesang bis zu innigen Momenten – warum manches live einfach am besten ist.
Dunkelheit im Saal seit fünf Minuten, ausgeleuchtet ist nur die Bühne. Von dort verbreitet Comedian Jürgen von der Lippe gute Laune. Ein Anekdote geht in die andere über, immer wieder übertönt vom Gelächter seines Publikums. Draußen im Gang hält Marcus Vierhaus kurz inne, lehnt sich für einen Moment an die kühle Wand. Zeit zum Durchatmen. Sein Team und er haben wieder einen Auftritt erfolgreich an den Start gebracht. Die Sache läuft, der Funke ist übergesprungen. „Man merkt, ob es knistert im Saal“, sagt der 57-Jährige, der seit 2012 die Stadthalle Oer-Erkenschwick leitet. Speziell bei Comedy-Veranstaltungen gebe es ein, zwei Leute mit einer besondere Lache. „Sie stecken die anderen zum Weiterlachen an“, so erlebt es Marcus Vierhaus oft, „das kann in einer Halle mit 662 Plätzen zu einer netten Sinfonie werden.“ Noch besser: „Wenn Künstler das aufgreifen, außerhalb ihres Programms neue Witze machen – das Publikum mag Spontaneität.“
ganzen Oberliga!", Melvin Schmies, Stadionsprecher der Spielvereinigung Erkenschwick. Foto: Volker Beushausen
Ortswechsel: Wer in Oer-Erkenschwick zu Fußballspielen ins altehrwürdige Stimbergstadion kommt, mag vor allem seine Mannschaft und will sie persönlich unterstützen. Schon beim Einlauf werden die Spieler mit gemeinsamen Gesängen willkommen geheißen. „Live-Fußball lebt besonders im Amateurbereich von den Leuten, die die Spiele besuchen“, betont Melvin Schmies, „sie machen zusammen mit den Spielern dieses einzigartige Event möglich.“
Der 23-Jährige ist seit mehr als fünf Jahren ehrenamtlich als Stadionsprecher der Spielvereinigung Erkenschwick aktiv. Außerdem sorgt er vor Ort für den passenden Sound. Richtig aufgedreht wird eine Viertelstunde vor dem Spiel: „Dann sind die Erkenschwicker Lieder wie ,ESV aus’m Kohlenpott‘ und unser Vereinslied ,Jules Enkel‘ an der Reihe‘, erzählt Melvin Schmies. Gemeinsam singen ist hier Teil der Fan-Kultur: Unser Stimbergstadion ist das lautest der ganzen Oberliga!“
Aus vollem Herzen Singen
Einfach mal aus vollem Herzen mitsingen können, das kommt in der Stadthalle ebenfalls gut an. „Besonders beliebt sind Tribute-Bands mit Songs, die alle kennen“, weiß Marcus Vierhaus, „genau so DJ- und Motto-Parties.“ Gemeinschaftsgefühl im großen Stil statt allein vor dem Bildschirm zu sitzen oder aufs Smartphone zu schauen, zusammen lachen und gute Laune erleben. Doch es kann auch ganz ruhig werden im Saal: „Wenn Künstler private Dinge erzählen oder die aktuelle politische Situation aufgreifen“, nennt Marcus Vierhaus zwei Beispiele, „das sind besonders emotionale Augenblicke“.
Bei Schlagerveranstaltungen wage sich ab und zu ein echter Fans bis zur Bühne vor und lege der Sängerin seines Herzens ein paar Blümchen zu Füßen. Die dezente Feierlichkeit bei klassischen Konzerten animiere die Besucher, die Abendgarderobe aus dem Schrank zu holen, „und zu unseren Seniorennachmittagen kommen die Menschen allein und
gehen als Freunde.“ Wuselig geht es zu vor den Veranstaltungen für Kinder. Aber Musicals wie die von Pepper Wutz, Ritter Rost oder Conni ziehen die Kleinen schnell in ihren Bann: „Es wird mucksmäuschenstill und alle sind fokussiert auf das Bühnengeschehen“, hat Marcus Vierhaus beobachtet. Erste Kommentare dazu, wie gut eine Veranstaltung ankommt, bekommt der Geschäftsführer der Stadthalle zu hören, wenn er in den Pausen im Foyer unterweg ist: „Veranstaltungen bieten Raum für eine gemeinsame Erfahrung, über die man sich unterhält und später gern erinnert.“
Hautnah dabei
Melvin Schmies erlebt in der Sprecherkabine jede Sekunde auf dem Platz hautnah mit. Zweikämpfe, Treffer und verpatzte Chancen – „ist die Spannung nicht mehr auszuhalten, gehe ich schon mal raus“, gesteht der leidenschaftliche Fan. Sein persönliches Highlight: „Als wir gegen Preußen Münster im Elfmeterschießen gewonnen haben“, kommt es spontan. „So eine Atmosphäre habe ich im Stadion noch nie erlebt“, schwärmt der Stadionsprecher noch heute. „Jubel, Bierdusche, Rauchfackeln – da brechen alle Dämme!“ Gänsehautmomente, die nur vor Ort in ihren Bann ziehen: „Das kann man so keinem auf dem Handy zeigen!“
Persönlich im Stadion
Persönlich im Stadion zu sein heißt für Melvin Schmies auch, dem Geist der Vergangenheit zu begegnen: „Echte Anhänger des Spielvereinigung Erkenschwick wissen, was hier früher los war!“ Außerdem kämen nach wie vor Zuschauer ins Stadion, die schon damals prägende Momente des Vereins miterlebt hätten. „Generationen treffen aufeinander, kommen ins Gespräch, Alt und Jung mischen sich, Fan ist Fan.“ Man fiebere gemeinsam mit seinem Verein, „live ist man seiner Mannschaft ganz nah.“
Ihrem Star ganz nah zu kommen, darauf hoffen auch die Menschen, die am Bühneneingang der Stadthalle warten. Nötig ist das nicht. „Es hat sich etabliert, dass Künstler in den Pausen oder im Anschluss an die Veranstaltung im Foyer auf Tuchfühlung gehen“, erklärt Marcus Vierhaus. „Da ist dann Zeit für ein Selfie oder Autogramm, die Zuschauer können ein Plakat oder eine CD kaufen.“ Buche man ein sogenanntes „Meet and Greet“, gehe es teilweise sogar in den Backstage-Bereich. „Für absolute Fans manchmal die Chance, ihr Idol zu umarmen“, sagt der Geschäftsführer. „Live heißt schließlich, mit allen Sinnen dabei zu sein!“